WSV – Vereinsgeschichte

50 Jahre WSV Zellerreit

Eine kuriose Vereinsgeschichte

Von Martin Mayer ( Vereinsvorstand von 1972 bis 1988 )

Ist nicht die ganze Vereinsgeschichte schon kurios genug? Da wird mitten im Flachland ein Wintersportverein gegründet und es werden hauptsächlich mit Skispringen und Langlauf  solche Sportarten betrieben, welche den Gebirgsvereinen vorbehalten waren. Manche Umwege wurden gegangen, bis es dazu kam. Es waren Edlinger, also „Flachländler“,  welche nach dem Krieg auf dem Zellerreiter Berg die erste Sprungschanze errichtet hatten. Offenbar war Ihnen die Zellerreiter Bergwelt dann doch etwas zu steil, denn sie gaben so etwa 1950 die Schanze an den SC Haag ab. Bald darauf hatten aber auch schon die ortsansässigen Burschen die Schneid über die Zellerreiter Schloßbergschanze zu gehen. So kam es, dass sich mit der Gründung des SV Ramerberg im Jahr 1952 gleich eine Skiabteilung diesem Verein anschloss.  So hatten die Skisportler eine zehnjährige Heimat beim SV  Ramerberg.  Erst im vierten Anlauf, mit der Gründung des WSV Zellerreit,   gelang es,  den Wintersport in Zellerreit dauerhaft heimisch zu machen. So werden in  Zellerreit  schon  65 Jahre Wintersportwettkämpfe ausgetragen.

Voller Begeisterung für ihren Sport hatten die WSV`ler in kameradschaftlicher Zusammenarbeit die anstehenden Aufgaben bewältigt. In ehrenamtlicher Arbeit wurden zwei Sprungschanzen gebaut bzw. erneuert, später sind drei Tennisplätze und ein Tennisheim entstanden, es folgten ein Gymnastikraum, ein Eisplatz. Es ist erstaunlich; trotz der kostenaufwändigen Bauten, den Anschaffungen, wie den Vereinsbussen und den Loipengeräten, hatte der Verein in seinem 50jährigen Bestehen nie ernsthafte Geldsorgen. Auch bemerkenswert ist, dass der Verein seit etwa 25 Jahren einen konstanten Mitgliederstand von über 600 Personen hält, obwohl seine Heimatgemeinde Ramerberg nur gut doppelt so viele Gemeindebürger hat.

Wenn man den alten WSV„lern  zuhört, dann gibt es doch einige lustige Begebenheiten. Angefangen von den örtlichen Kinderskispringen mit den selbst genähten Startnummern bis zu den ersten Wettkampffahrten; sozusagen,  mit der „Eisenboh“ und dem Millifahrer“  zum Skispringen nach Sachrang. Dort kamen sie dann als „Flachländler“  mit weiten Pluderhosen und zittrigen Knien an.

Bis in alle Ewigkeiten wird der Verein ein Problem mit der unsicheren Schneelage haben. So hatte zum Beispiel der Winter 1989 von Januar bis April nur einen Frosttag. Ein ungewöhnlicher Winter war  im Jahr 2006 mit 122 Schneetagen (18. Nov. – 20. März). Karl Valentin hatte recht, wenn er sagte: „Alle reden vom Wetter, aber keiner tut was dagegen“. 

In den meisten Jahren hatte die mangelnde Schneelage den Zellerreitern graue Haare gekostet. Wie viele Körbe Schnee mussten bei Veranstaltungen auf die Sprungschanzen und den Langlaufloipen gebracht werden, damit die Veranstaltungen mit „Ach und Krach“ durchgeführt werden konnten? Oft ging nur ein weißes Schneeband von den Schanzen hinunter.  So trauten sich beim ersten Zellerreiter Skispringen wegen der schlechten Schneelage nur vier Skispringer über den Backen.  Einmal hatte ein Skispringer auf der Zellerschanze wegen Pappschnee einen „Salto“ vollbracht; der Umstand, dass er sich dabei keine Knochen gebrochen hatte, war nicht der Rede wert, aber das Tragische war, er hatte vor Zuschauerkulisse mit dem Sturz den ganzen Schnee vom Schanzenhang hinunter geschoben.

Ja, man muss heute sagen,  die Zellerschanze war ein aufwändiges Unternehmen. Mit viel Eigenarbeiten und vielen Spenden wurde der 21 Meter hohe Anlaufturm errichtet. Ein Schutzengel war dabei, als das Sicherungsseil der Planierraupe riss, die am Aufsprunghang Erde hinauf  geschoben hatte. Beinahe hätte sich die Baumaschine überschlagen. Auch andere WSV`ler  setzten Leben und Gesundheit ein.  So bekamen die Helfer beim Imprägnieren des Holzturmes mit den damaligen Giftstoffen eine Hautallergie. Zum Glück wusste man beim  Bau nicht, dass nur etwa acht Skispringen auf dieser Schanzenanlage durchgeführt werden konnten. Damals waren wir von unserer Sache überzeugt, sozusagen „Feuer und Flamme“  und nicht nur  „cool“  wie heute.

Die Kameradschaft unter den „Zellerreitern“ war vorbildlich. Einmal wurde sie jedoch arg gebeutelt. Zum ersten Mal führte der WSV Zellerreit die Inngaumeisterschaft durch und wieder waren zweifelhafte Schneeverhältnisse. So musste die Langlaufstrecke für den Staffellauf im Farracher Moos kurzfristig verlegt werden.  Der Streckenposten wurde aber von der Änderung nicht verständigt. So ergab sich ein furchtbares Wirrwarr. Der Staffellauf musste annulliert werden, denn die Läufer  sind kreuz und quer durch das Moos gelaufen. Das gab Ärger, Vorwürfe und eine Blamage gegenüber den  angereisten Gebirgsvereinen. Da waren wir kleinlaut und fühlten uns als unerfahrener Flachlandverein.  Einige Jahre später, bei der nächsten von uns ausgetragen Inngaumeisterschaft, waren wir schlauer.  Aus Schneemangel wurde der Langlauf mit über 300 Teilnehmern nach Sachrang verlegt. Zum ersten Mal verwendeten wir eine elektronische  Zeitmessanlage.  Mühsam hatten wir die Daten der Teilnehmer in das Gerät eingespeichert. Minuten vor dem Start geschah das Unglück. Es wurden alle Daten durch ein anderes Gerät gelöscht. Zum Glück hatten wir vorsorglich eine manuelle Wertung vorbereitet, so bekamen wir  für diese Veranstaltung doch noch ein großes Lob von den teilnehmenden Vereinen.

Auch gab es ein Happy End bei einem unserer Volksskiläufe. Es hatten sich gut 500 Teilnehmer aus ganz Südbayern angemeldet. Ein heftiger Föhnsturm schmolz den Schnee über Nacht hinweg; so lag zwischen Ramerberg und Zellerreit  am Wettkampftag kein Schnee mehr. Über den Rundfunk konnten wir die Veranstaltung nicht mehr absagen. Nur in Reitberg und an den Waldrändern war noch Schnee für eine Notloipe.  Mit gemischten Gefühlen schickten wir die Teilnehmer in den Massenstart. Und es war wie ein Wunder, – keiner der 500 Teilnehmer hatte sich beschwert, obwohl man  die Ski an manchen Stellen abschnallen und zu Fuß laufen musste.

Das alpine Skifahren war im Verein immer etwas im Schatten. Gerne erinnern sich die alten Skihasen noch an die ersten Vereinsmeisterschaften in Sachrang  mit der selbst eingetretenen Skipiste auf einer Waldwiese. Die Skier hatten damals keine Stahlkanten und es gab Stürze wie in den Stummfilmzeiten. In den späteren Jahren waren die Rennen in der Kelchsau und in Durchholzen schon professioneller, denn man hatte bessere Pistenverhältnisse und Zeitmessanlagen. In einem Jahr war die 82jährige Paula beim Rennen dabei. Das Rennleiterteam aus Österreich sagte uns damals „so etwas haben wir auch noch nicht erlebt“.

Mit zahlreichen geselligen Veranstaltungen wurde die Kameradschaft gefestigt und es kam auch viel Geld dadurch in die Vereinskasse. Ja, warum wird das beliebte Waldfest am Zellerreiter Schloss nicht mehr durchgeführt? Das kam so; zwei Jahre hintereinander kam am Spätnachmittag ein heftiges Gewitter, so mussten die Gäste das Waldfest fluchartig verlassen. Einmal hatten wir kurz vor dem Gewitter noch einen Hirschen (160 Liter Bierfass) angezapft. Dieses Fass wurde dann  „von den ganz Eisern“ in der Garage leer getrunken. Im dritten Jahr war die Wetterlage wieder verflixt. Laut dem Wetterbericht sollte  ein Gewitter kommen, aus diesem Grunde sagten die Verantwortlichen das Waldfest vorsorglich ab. Es kam aber kein Gewitter; viele Gäste konnten die Absage nicht verstehen, so mussten sie  trotz schönem Wetter heimgeschickt werden.  So ist dieses schöne Fest wegen den Wetterkapriolen gestorben. Über viele lustige  und sonderbare Ereignisse müsste hier geschrieben werden, Karl Valentin würde dazu sagen „im nachhinein kann man leicht lachen, im vorhinein tut man sich schwerer.“

Vielfältige Talente der Mitglieder kommen dem Verein zugute. Das eine Mitglied hat ein handwerkliches Geschick,  das andere Mitglied hat gute Ideen und macht sich die Hände  bei der Arbeit nicht dreckig. So einem, ich will es heute liebevoll sagen,  „Fantasten“ ,  verdanken wir zwei Abteilungen im Verein. So konnte er eine handvoll Zellerreiter von der Schönheit des Tennissports überzeugen, den man in Steppach auf einem Privattennisplatz ausgeführte. Außerdem wurde auf seine Anregung die Sparte Eissport gegründet.

Der Bau der Tennisplätze war auch so eine kitzlige Sache. Nicht nur, dass die ersten zwei Plätze vollkommen in Eigenleistung erstellt worden sind, obwohl keiner von uns eine Erfahrung im Tennisplatzbau hatte. Nein, schon am Anfang bekamen wir über die Platzwahl Zweifel. Wir hatten schon den Wald gerodet und die wilde Müllablagerungsstätte gesäubert. Erst dann kam das Gutachten vom Tennisverband mit der deprimierenden Nachricht, dass das Grundstück  ungeeignet sei. Ein erfahrener Bauunternehmer wurde daraufhin zu Rate gezogen. Er besichtigte den vorgesehenen Platz und sagte wörtlich „do baut`s den Plotz hie …. und des werd da Schenste weid und broad“. So gingen wir voller Eifer an die Arbeit.

Kurios ist auch, dass der Verein schon etwa 60 Waldläufe veranstaltet hat, obwohl er keine Leichtathletikabteilung führt. Bei früheren Volksläufen waren schon mehr als 1000 Teilnehmer am Start.  Außerdem gehört der WSV zu den ersten Vereinen in Bayern welche den Lauftreff eingeführt hatten. 

Über vieles kann man heute lachen oder besser gesagt, dem Schutzengel danken. Bei einer alpinen Hochtour am Großen Möseler hatte sich einmal eine Zellerreiter  Gruppe verlaufen und ist erst nach 17 Stunden Gehzeit zum Ausgangspunkt zurückgekommen. Auch erinnert man sich an die Skitour auf den  Piz Palü. An das Zelten im meterhohen Schnee, an die schwierige Skiabfahrt über die Gletscherspalten, oder auch an manche Bergtouren, – auf kantigem Fels,  bei Wolkenbruch und sengender Hitze.

Die Kajakfahrer könnten von waghalsigen Wildwasserfahrten berichten und von den selbstgebauten Kunststoffbooten. Auch ist eine Volkstanzgruppe und eine Faschingsgarde für einen Wintersportverein unüblich. Und manche, nun erwachsene „WSV`ler“ denken  an das Kinderzeltlager, an die angebrannten Spagetti und das nächtelange Kichern zurück. So kann jeder von uns seine kuriosen Vereinsgeschichten zum Besten geben.

Die Zellerreiter waren  in ihrer Vereinsgeschichte keine „lahmen Enten“; vielmehr hatten sie das Herz am rechten Fleck, hatten kräftig zugepackt, waren sportlich und fair und brachten das nötige Standvermögen auf um die Launen der Frau Holle auszuhalten. l

Schreibe einen Kommentar